Das Wave Gotik Treffen 2012
Zwischen Kunstblut, Kaffee, Latex und Strick
23.05.2012 [sh] Das Pfingstwochenende steht vor der Tür und Leipzig erwartet auch im 21. Jahr in Scharen die Anhänger der düsteren Gothic-Szene. Bereits seit Monaten sind die Hotels und Pensionen ausgebucht und der Einzelhandel freut sich auf den sprunghaften Konsumanstieg. Man hat sich auf die schwarzen Gäste eingestellt. Sogar eine eigens für das WGT eingerichtete Straßenbahnlinie bringt die Besucher, wie auch schon in den vorangegangenen Jahren, an die verschiedenen Spielstätten in ganz Leipzig. Das elegante Schwarz dominiert Straßen, Plätze und Parks. Schaulustige beobachten das Spektakel und zücken immer wieder den Fotoapparat um ausgefallene Outfits festzuhalten. Selbst die reifere Generation hat vor den Schwarzen Massen keine Scheu und verteilt sogar Komplimente für Sexy Outfits. Ganz lieben Dank an dieser Stelle. Die Polizei hat wie auch in den letzten Jahren kaum etwas zu tun. Das WGT ist eines der friedlichsten Festivals. Dies bestätigen auch die Ordner auf dem AGRA-Gelände. Viele kommen aus dem ganzen Bundesgebiet und das jedes Jahr aufs Neue. Nicht nur die Freundlichkeit der Gothics, sondern auch der Genuss fürs Auge sind hier ausschlaggebend für den Feiertagsarbeitseinsatz.
Außer Konzerten kann man interessante Ausstellungen besichtigen, Museen haben ihre Tore für die WGT-Bändcheninhaber geöffnet. Einen Vortrag von Mark Benecke, dem international renommierten Kriminalbiologen steht auch auf dem Programm. Er gibt erstaunlich erheiternde Einblicke in seinen morbiden Arbeitsalltag. Verschiedene Schauspielstücke und sogar ein limitiertes Platzkontingent für den Auftritt des Opern-Weltstars Montserrat Caballé werden ebenfalls angeboten. Im vergangenen Jahr sehr gut angekommen und in diesem Jahr ebenfalls angedacht ist an zwei Nachmittagen der Stricknachmittag für Schwarzromantiker, angeboten vom Hilfsverein Nächstenliebe e.V.
Donnerstag, 24.05.2012
Vor uns liegt ein Wochenende mit Freunden und um vorher schon entspannt in selbiges zu starten, haben wir alle Zeitpläne über Bord geworfen. Den Donnerstag beginnen wir gemütlich mit einem leckeren Frühstück und packen danach unsere Taschen, die Campingsachen und das Fotoequipment zusammen. Das alljährliche Kofferraumtetris darf natürlich auch nicht fehlen. Alles sicher verstaut, starten wir gegen 16.00 Uhr in Richtung Leipzig. Die Klimaanlage läuft auf Hochtouren und selbst als wir drei Stunden später auf dem AGRA-Gelände ankommen, liegen die Temperaturen immer noch bei gefühlten 30 Grad. Dank professioneller Einweisung findet jeder zügig seinen Parkplatz. Die Routine beim Campen zeigt sich im flinken Aufbau der Zelte. Da geht man Anfängern auch mal schnell zur Hand und hilft sich gegenseitig. Mit voranschreitendem Abend macht sich der Magen bemerkbar und wir verbinden den Gang zur Bändchenausgabe sogleich mit der Suche nach etwas Essbarem. Mit den Bändchen markiert und dem aktuellen Pfingstboten ausgestattet, geht es zur AGRA. Hier gibt es eine große Auswahl an regionalen und internationalen Essens- und Getränkeständen. Während anderen die Essenswahl noch schwer fällt, studiere ich schon einmal den umfangreichen Veranstaltungsplan. Im Laufe des Abends gesellen sich immer mehr Freunde zu uns und der Abend klingt ganz gemütlich aus. Aber auch die Nimmermüden können aktiv auf der Tanzfläche den neuen Morgen begrüßen.
Freitag, 25.05.2012
Ganz wichtig zum angenehmen Aufwachen ist erstmal der morgendliche Kaffee. Für die Faulen unter uns wird der sogar inkl. Frühstück ans Bett bzw. das Zelt gebracht. Die Sonne brennt bereits am Morgen auf die Festivalbesucher. Auf alle Fälle ein Garant für ausgefallene, leichte und sexy bekleidete Gothics. Unser Tagesplan steht. Mit einer Runde über das Gelände beginnen wir den Tag und finden viele Gleichgesinnte. Die Kameras natürlich immer im Anschlag. Wo kann man sonst auf so viele verschiedene Charaktere und individuelle Gestalten treffen. Stärkung finden wir im Heidnischen Dorf bei einem leckeren Rosentee. Etwas leckeres Vegetarisches darf natürlich auch nicht fehlen. In diesem Jahr wollen wir erstmals das viktorianische Picknick aufsuchen. Hierzu müssen wir einmal durch die Stadt bis hin zum Clara-Zetkin-Park. Also auf zur Bahn und in die leipziger Innenstadt. Die Straßenbahnen werden, wie auch das gesamte Stadtbild, von einem eleganten Schwarz dominiert. Den Weg zum Park muss man selbst nicht kennen, man folgt lediglich den unzähligen in eleganten Viktorianischen und Rokkokogewändern gehüllten Personen. Es herrscht bereits reges Treiben als wir gegen 16.00Uhr den Park erreichen. Leipziger und Anhänger der Schwarzen Szene treffen aufeinander und bestaunen sich gegenseitig. Dieses friedliche Miteinander und die gegenseitige Akzeptanz sind beispielhaft für das gesamte Festival.
Die Parklandschaft ist Schauplatz einer Modenschau der besonderen Art. Man versammelt sich zu einem romantischen Picknick und das in historischer Gewandung. Viktorianisch, „Steampunk“, Barock, Rokoko, elegante Lolita oder „Romantic Gothic“ stehen hier auf der Kleiderordnung. Frauen und Männer, einer pompöser als der andere, stolzieren in barocken Kleidern umher und posieren für die immer zahlreicher werdenden Fotografen.
Auf dem Weg zurück zum AGRA Gelände kommen wir kurz ins Gespräch mit einer jungen Frau, die sich das erste Mal auf dem WGT befindet. Sie kommt aus Miami und ist total begeistert von den Menschen, vom Festival und von Deutschland. Zurück am Zelt muss erstmal ein kühlendes Fußbad her. Frisch beschuht kommen wir gerade noch rechtzeitig zu Clan of Xymox in die AGRA. Seit nun knapp 30 Jahren unterhalten Frontmann Ronny Morrings und seine Band mit Dark Wave die dunklen Massen. Die Hamburger von Projekt Pitchfork folgen und heizen mit düsterem Elektro den Fans richtig ein. Nach einer erfolgreichen Tour durch Deutschland machen in diesem Jahr auch Checker Alex und seine Eisbrecherbesatzung Halt in den heiligen Hallen der AGRA und gemeinsam mit dem Publikum bringen sie selbige zum Beben. Mit dem Opener „Exzess Express“ gibt es sogleich eines der aktuellen Werke auf die Ohren. Stimmgewaltig wird die neue Single „Verrückt“ zelebriert und es folgt ein Querschnitt durch die Erfolgsgeschichte der Band.
Samstag, 26.05.2012
Die Nacht war kurz, zu kurz. Beim Zubettgehen sah man bereits die Sonne am Horizont aufgehen. So ist die heutige Anlaufzeit besonders lang. Erst gegen 14.00Uhr treffen wir am Bahnhof ein, wo wir uns mit Freunden verabredet haben. Gemeinsam mit vielen tausenden Besuchern schlendern wir durch die Gassen. In einer Seitenstraße finden wir ein kleines gemütliches Café, in welchem wir Halt machen und ein wenig die Zeit und auch die Leute an uns vorbei ziehen lassen. So können wir für einen kurzen Moment den Takt des Tages verlangsamen, Ruhe finden vom Trubel. Gegen 16.00Uhr kommt dieser zurück. Denn für 16.30Uhr steht das Konzert von Secret Discovery in der Parkbühne an. Aufgrund der Zeitknappheit bis zum Act, leisten wir uns kurzerhand ein Taxi. Im Gespräch erzählt der Fahrer, dass der Ansturm zum letzten Jahr abgenommen habe. Gut die Hälfte an Gewinneinbußen musste man in den ersten beiden Tagen hinnehmen.
An der Parkbühne vergessen wir die schwindenden Besucherzahlen, denn hier tummeln sich Schaulustige, Sonnenanbeter und Musikliebhaber. Schnell findet man hier Gesprächspartner und tauscht sich aus. Wir ersuchen Einlass zur Parkbühne, die ist schon gut gefüllt und erwarten den Auftritt von Secret Discovery. Zur Feier ihres 25-jährigen Jubiläums versprechen sie ein Nostalgieprogramm, zusammengestellt aus Songs der ersten drei Alben. Die Bochumer Jungs locken auch Alex Wesselsky in die sonnenüberflutete Parkbühne, wo er natürlich nicht unerkannt bleibt.
Nach einer kurzen Erfrischung führt uns der Weg zurück zur Straßenbahn in Richtung AGRA-Gelände. Der Tag war lang und auch der Stadtbummel fordert seinen Tribut. Heute vermag nichts mehr meine Lebensgeister zu wecken. Den Abend lassen wir ganz geruhsam am Zelt mit einer Musikmischung aus Qntal (Heidnisches Dorf) und Funker Vogt (AGRA) ausklingen.
Sonntag. 27.05.2012
Nach der letzten Nacht fühle ich mich frisch erholt und wir starten mit viel Energie in den 3. WGT Tag. Das heidnische Dorf ist unser Ziel. Lange Schlangen zeichnen sich an der Kasse ab. Aber das WGT Bändchen legitimiert zum kostenfreien und somit schnellen Eintritt auf das Gelände. Bei einem erfrischenden Minzwasser, einem leckeren Rosentee oder auch einen belebenden Mocca genießen wir die Zeit. Eine deftige Hanftasche rundet das kulinarische Mahl ab. Immer mehr Freunde gesellen sich zu uns und so vergeht auch heute die Zeit wie im Flug. Die Schar von Besuchern zieht an uns vorbei oder findet sich in Gruppen zusammen und genießt die mittelalterlichen Bühnenshows. Unter anderem geben sich hier Las Fuegas, Ordo Equitrum Solis, Reliquiae, Qntal, Nachtwindheim, Thrudrangas und Omdulö die Ehre. Sogar eine Jungfrauenversteigerung steht auf dem Programm. Inwieweit die unter den Dorfbesuchern eingesammelten Damen wirklich den Jungfrauenstatus erfüllen, bleibt unausgesprochen. Auf dem Weg zum Zeltplatz benötigen wir dringend einen Aufmunterer. Da kommt der Kaffeestand gerade richtig. Und was wäre einen Latte Macchiato ohne ein Muffin oder einen Donut. Mmmhhh – einfach lecker und empfehlenswert.
Schwarzer Engel wird gleich in der AGRA aufspielen. Da es unsere Zeit erlaubt, schauen wir kurz in die Halle um die Band mitzuerleben. Liegt es am schönen Wetter oder dem noch geringen Bekanntheitsgrad der Band, dass die Halle kaum gefüllt ist? Aber nichts desto trotz entert Dave Jason nach kurzen technischen Problemen die Bühne und heizt den Anwesenden mit dem Opener „Geister und Dämonen“ richtig ein. Seine Musik siedelt sich in einer modernen Form des Dark Metal an, welche beeinflusst wird von melodischem Black Metal über Musik der Schwarzen Szene bis hin zur Klassischen Musik. Gesellschaftskritische Themen, wie auch Sagen und Naturerscheinungen werden in seinen Texten angesprochen. Während die AGRA sich von Act zu Act weiter füllt, nutzen wir die Gelegenheit ohne Schlangen und vor allem heiß zu duschen. Nach einem langen Tag auf den Beinen, genau das Richtige. Frei von Staub und Sonnencreme gilt es wieder ein wenig Farbe aufzulegen und sich für den Abend schick zu machen. Das kleine Schwarze aus Latex muss unbedingt auch mal ausgeführt werden. Den Zeltnachbarn sagt es zu und man(n) hilft bei kleinen Detailentscheidungen weiter. Mit Mono Inc. und Diary of Dreams ist es heute rockig in der AGRA Halle. Als besonderes Mitternachtsspezial geben sich Heppner und Band die Ehre. Im Gepäck das neue Album “My Heart Of Stone”, welches auf Platz 6 der Charts eingestiegen ist. Aber nicht nur aktuelle Songs hat er für die tausenden Anwesenden dabei. Auch die Wolfheim Hits „Kein Zurück“ und „Die Flut“ lassen die Fanherzen höher schlagen.
Montag, 28.05.2012
Der Montag beginnt sehr kühl. Immer wieder schieben sich dicke Wolken vor die Sonne. Bereits jetzt werden vereinzelt die Zelte und Sachen gepackt und für die Heimfahrt verstaut. Wir nehmen uns heut noch einmal Zeit vom Alltag abzuschalten. Genießen die uns verbleibenden Stunden mit neuen und alten Freunden. Nach der Einnahme unseres morgendlichen lebensgeisterweckenden Koffeingetränkes geht es zuerst in Richtung Heidnisches Dorf. Den Dattelschlepper muss ich unbedingt noch plündern. Zudem steuern wir noch die Verkaufshalle an. Ein wenig stöbern, kleine Einkäufe vornehmen. Von Schuhen über aufwendige Korsetts bis hin zu Musik und Spielzeug der besonderen Art kann man hier alles finden. Konzerthighlight des heutigen Tages ist Agonoize. Das Kunstblut fließt und bevor es im dritten Song so richtig zu spritzen beginnt, werden ganz eilig die Fotografen und ihre Technik in Sicherheit gebracht.
Dienstag, 29.05.2012
Mit einem sonnigen Lächeln begrüßt uns der neue Morgen und verabschiedet sich Leipzig von seinen rund 20.000 schwarzen Besuchern. Auch wir verabschieden uns und freuen uns auf das kommende Jahr, wenn das 22. WGT wieder zum großen internationalen Familientreffen einlädt.